Hier mal ein Artikel, den ich für die Homepage meines Fliegerclubs geschrieben habe. Ernst kennt Ihr ja schon.
Zum jährlichen Mittsommerfliegen auf dem Hermes gab es in diesem Jahr ein besonderes Highlight. Als Ernst Diehl im vergangenen Jahr nicht nur seinen 90. Geburtstag feiern konnte, sondern auch noch auf 70 Jahre als Luftfahrer zurückblickte, machten ihm die beiden Vereine am Flugplatz beheimateten Vereine, der Rote Milan und der FSK Nidda, ein besonderes Geschenk: eine Reise zurück zu seinen fliegerischen Anfängen. Seine ersten Erfahrungen sammelte Ernst auf einer Focke Wulf Fw 44 „Stieglitz“ und genau solch eine Maschine hatten wir für ihn bestellt.
Diese alten Flugzeuge haben kein geschlossenes Cockpit und auch der stoffbespannte Rumpf ist alles andere als winddicht, die Fliegerei damit bietet sich daher eher an wärmeren Tagen an, weshalb wir auch bis zum 26. Juni 2010 warteten. Nun aber war es soweit. Die D-EMOF war für 15:00 angekündigt und meldete sich auch etwa um diese Zeit über Reichelsheim im Anflug auf Nidda. Im Segelflugzeug flog ich ihr entgegen und musste anfangs schon genau hinsehen, um das kleine silberne Flugzeug fast 700m unter mir auszumachen. Während eines Wartekreises hatte ich Zeit, mich über das schöne Flugbild der alten Maschine zu freuen und sie dann bei der Landung auf dem Hermes zu beobachten.
Am Boden kam für Ernst der Moment, einzusteigen und nach ein paar Handgriffen war der Sitz richtig justiert. Da saß er nun im vorderen Cockpit des Stieglitz, wo er vor vielen Jahren als junger Flugschüler angefangen hatte. Ein paar kurze Absprachen und das Flugzeug war bereit. „Scharf und gebremst“ rief der Pilot seinem Mechaniker zu, worauf dieser sehr stilecht den Siemens-Halske Siebenzylinder Sternmotor von Hand anriss. Ein paar Versuche brauchte er schon, dann lief das Triebwerk mit sonorem Blubbern an. Gemütlich rollt der kleine Doppeldecker zum Startpunkt der Piste 22, wendet dort und startet in den azurblauen Himmel um, langsam Höhe gewinnend, Richtung Westen über die Wetterau zu verschwinden.
Der Stieglitz war zu seiner Zeit ein Flugzeug zur Anfängerschulung, mit dem auch Kunstflug erlaubt war. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass bei dieser Tour Turnen auf dem Plan stand. Eher war ruhiges Bummeln über der sommerlichen Landschaft angesagt. Als alter Hase war es natürlich klar, dass Ernst, erst mal in der Luft, das Steuer übernahm, schließlich hat er auch mit 90 noch alle körperlichen und geistigen Anforderungen der Luftfahrtbehörde erfüllt und war bis vor kurzem der älteste aktive Fluglehrer Deutschlands, wenn nicht gar der Welt, mit fast 12000 Flugstunden und über 56000 Starts und Landungen sicher einer der erfahrensten.
Nach einer Stunde kündigte sich die Rückkehr des Stieglitz mit leisem Brummen aus Norden an, der Pilot meldete sich zur Landung und „saß“ bald darauf butterweich im Gras der Piste 04. Nachdem das Triebwerk abgestellt war, stiegen Pilot und „Schüler“ glücklich aus. Auf meine Frage, ob sich so ein altes Flugzeug den schwerer fliegen ließe als die weit moderneren Geräte, die wir heute allgemein bewegen verneinte Ernst heftig und schwärmte vom sanften, gut abgestimmten Flugverhalten des Stieglitz. In seinem Gesicht spiegelten sich, wenn ich mich nicht täusche, Freude, Stolz, ein bisschen Melancholie und all die Geschichten aus 70 Jahren als Flieger.
Die Amerikaner sagen „Zeit, die Du fliegend verbringst wird nicht von Deiner Lebenszeit abgezogen“. Zumindest im Bezug auf Ernst Diehl und den Stieglitz scheint das zuzutreffen.
Hinterlasse einen Kommentar